Positive Vibes: Die Selbstverklärung in den Berufsnetzwerken
Das Leben mancher liest sich wie ein Bilderbuch – zumindest, wenn man den Sozialen Medien Glauben schenken mag. Was für Facebook, Instagram und Co gilt, trifft auch auf Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn zu. Besonders nach der Pandemie ist die positive Stimmung auch in diesen Netzwerken förmlich explodiert. Das erste Mal die neuen Kollegen persönlich treffen, die erste Konferenz, das erste Team-Event, das erste Mal wieder mit der Aktentasche am Flughafen – die Euphorie scheint bei einigen nahezu unbegrenzt zu sein; Premieren und Superlative liegen im Trend. Dabei haben all die positiven Vibes, die durch die Sozialen Netzwerke geistern, auch ihre Schattenseiten: Toxische Positivität – doch was ist das? Und wieso genau kann sie zum Problem werden? – Wir klären auf.
Zwischen Betrug und Selbstbetrug
Toxische Positivität beschreibt einen Zustand, in dem die positive Einstellung zum Zwang wird und damit schädliche, wortwörtlich also toxische Dimensionen annimmt. Denn wird positives Denken zur einzig zulässigen Lösung, führt dies dazu, dass negative Gefühle unterdrückt und mögliche Konflikte eher vermieden anstatt aktiv angegangen werden. Gleichzeitig verleitet es den Urheber des Posts zum Selbstbetrug, indem die eigenen Erfahrungen auf Social Media verklärt werden.
Eben diese Zwangssituation wird durch den überschwänglich positiven Grundton der Sozialen Medien erzeugt. Natürlich, hier und da berichten Menschen auch von negativen Erfahrungen oder persönlichen Rückschlägen – doch sieht man genau hin, wird man feststellen, dass auch diese Beiträge meist eine „Man kann alles schaffen“- oder „Was mich nicht umbringt, macht mich nur härter“-Mentalität erzeugen wollen – ein weiteres Beispiel dafür, wie tiefgreifend die Gefahr von toxischer Positivität in den Sozialen Medien ist. Toxische Positivität bewirkt also genau das Gegenteil: Sie vermitteln eine falsche Wirklichkeit und kann im schlimmsten Falle sogar krank machen. Das ist in Berufsnetzwerken besonders problematisch. Schließlich gehören schlechte Erfahrungen zum Berufsleben dazu. Doch was lässt sich dagegen tun?
Achtsamkeit und ein bewusster Umgang mit Berufsnetzwerken
Damit Positivität nicht zur Gefahr wird, ist ein bewusster Umgang mit und Konsum von Social-Media-Inhalten erforderlich. Nutzer müssen sich bewusst sein, dass diese Medien heute primär einem Zweck dienen: Der Selbstdarstellung und Selbstvermarktung. Sie können und wollen kein wahrheitsgetreues Abbild der Realität vermitteln. Gleichzeitig muss man anerkennen, dass sich mit einer positiven Einstellung, die im Grunde nicht falsch, ja sogar wünschenswert ist, nicht alle Probleme lösen lassen. Positive Gedanken sind gut, aber nicht die Lösung für alles. Statt der aufgezwungenen Positivität der Sozialen Medien auf den Leim zu gehen, sollte man sich lieber in bewusster Achtsamkeit üben. Denn nur so lässt sich die eigene Psyche langfristig stärken und ein positiver Bezug zu seiner Umwelt bewahren.